Schiffjungenschule in Sebenico
(aus seinen Aufzeichnungen)
Als ich 14 Jahre alt wurde musste ich zum
Troste meiner lieben Tante das Friseurhandwerk lernen. Selbes gab ich aber
sehr bald auf da ich ich durchaus kein Interesse dafür hatte. Mein
einziger Gedanke war nur zur Kriegsmarine, woselbst auch mein Vater durch
viele Jahre gedient hatte. Man sagt ja wie der Vater so der Sohn.
Und so wanderte ich eines Tages zur
Marinesektion zur Assentierung. Man wies mich jedoch mit dem Begründen
einen zu schwachen Körperbau zu haben ab und vertröstete mich ein halbes
Jahr später zu kommen. Mit Tränen in den Augen wandelte ich heimwärts und
tröstete mich mit dem Gedanken, dass die Zeit ja bis zur nächsten
Assentierung schnell vergehen wird.
Eines schönen Tages, es war im Jahre 1912,
bekam ich die Verständigung zur Musterung und ich hatte Glück. Ich konnte
kaum den Tag der Abreise erwarten, welcher für den 12. Mai 1912
festgesetzt war. Tags zuvor musste ich noch in die Bundeswehrkaserne am
Rennweg wo wir die Marschroute und ein Zehrgeld für die lange Reise
erhielten. Am 12. Mai 1912 um 7 Uhr Abend fuhren wir vom Westbahnhof ab.
Es waren außer mir noch zwei Kollegen - Hannes Bertowec und Vetter
- welche ebenfalls in die Schiffsjungenschule kamen.
Begleitet hat uns niemand zum Bahnhof, denn es
war ja sicher jeden ums Herz sehr schwer. Der Beste Abschied ist ohne
Begleitung. Und so fuhren wir halt unserem Ziele entgegen. Zuerst bis
Triest. Die Reise war herrlich und unsere Augen wurden immer größer.
Triest ist eine herrliche Stadt und ein herrlicher Hafen. Dortselbst kamen
wir abends an, was ja einen größeren Reiz hat. Wir bummelten die ganze
Nacht durch um ja genug sehen zu können. In der Früh sahen wir uns noch
die Geschäfte an und dann das Treiben und Leben im Hafen. Für uns war das
alles schon ein Traum, als wir die einzelnen Matrosen auf den Schiffen
sahen.
Um 9 Uhr Vormittag nahmen wir Abschied von
Triest und nun ging es Pola entgegen. Um 1/2 12 Uhr kamen wir dortselbst
an und man hat uns zuvor bei der Abreise in Wien gesagt dass uns eine
Patrulle vom Matrosencorps in Pula erwarten wird um uns an unseren
Bestimmungsort zu führen. Jedoch es hat sich nicht bewahrheitet und man
ließ uns ganz freien Lauf. Zuerst stärkten wir uns kräftig, da wir eine
Bärenhunger hatten. Dann sahen wir uns alle Sehenswürdigkeiten an. In Pola
selbst ist ja unser Hauptkriegshafen, wo sich die ganze Flotte befindet.
Nach dem Essen gingen wir in die Marineschwimmschule. Wir hatte zwar alle
Angst vor dem Meerwasser, aber nach einiger Zeit sahen wir dass es ganz
harmlos ist.
Um 4 Uhr Nachmittag mussten wir jedoch daran
denken uns in der Kaserne zu melden. Und von dieser Stunde an hatte unsere
persönliche Freiheit ein Ende
In der Kaserne angelangt meldeten wir uns beim
Torposten. Derselbe wies uns in die Kasernenkanzlei wo man uns in Empfang
nahm. Als unsere Papiere abgenommen waren wanderten wir durch die Kaserne
um zu unserer Abteilung zu kommen. Es war ein großer Saal wo schon viele
Kollegen waren mit denen wir das gleiche Schicksal teilen konnten. Wir
hatten dort mit Hannes Woska einen eigenen Instruktor.
Vorläufig mussten wir noch in Zivilkleidung
bleiben. Wir bekamen auch unsere Hängematten und verbrachten auch die
erste Nacht schlaflos. Die zweite Nacht ging schon besser und allmählich
gewöhnte ich mich daran. Wir waren alle recht lustige Kollegen. Heimweh
hatte ich nie eines verspürt. Wir verlebten in der Kaserne ganz gute
Zeiten. Jeden Tag gingen wir baden - natürlich in geschlossenen Reihen -
oder spazierten in den Kaiserwald, man zeigte uns alle Sehenswürdigkeiten.
Eines schönen Tages bekamen wir die frohe
Botschaft, dass wir nach Sebenico in die Schiffsjungenschule transportiert
werden und so brachte uns auch der Hilfskreuzer HERCULES nach Sebenico.
Die Fahrt von Pola nach Sebenico war sehr schön überhaupt für uns wo wir
ja noch nicht auf dem Meer gefahren sind. In Sebenico eingelaufen (die
Stadt selbst liegt märchenhaft) holte uns ein Tanker ab und brachte uns zu
Mole von Magdalena wo die Schiffsjungenschule liegt.
Dortselbst mussten wir antreten und es wurden
uns die Haare abgeschnitten. Wir hatten über den Verlust unserer schönen
Locken zwar keine große Freude aber man musste dieses Schicksal mit sich
nehmen. Sodann wurden wir auf die zwei Schulschiffe ALBATROS und NAUTILUS
gebracht. Zum Mittagessen bekamen wir Suppe und Reisfleisch welches
vorzüglich zubereitet war. auf diesen zwei Schiffen verlebten wir einige
Tage wie im Schlaraffenland und nahmen dann Abschied.
Wir wurden auf das Segelschiff DONAU
umgeschifft woselbst wir mit dem Lande gänzlich isoliert waren da es ganz
in der Mitte des Hafens verankert war. Dort begann für uns ein anderes
Leben. Wir gingen schon langsam ins Militärische über, bekamen schon
unsere Monturen und unsere Zivilkleidung wurde uns abgenommen und in
unsere Heimat geschickt. Jeden Tag mussten wir um 6 Uhr aufstehen,
antreten mit den Hängematten wo wir Übungen hatten mit dem Zusammenrollen;
dann waschen und nachher der Kaffee (schwarz mit Brot).
Das Essen war nicht sehr gut. Nach und nach
hatten wir Ruderübungen, exerzieren, Boote aussetzen, Segel hissen, u.d.g.
Bei den ersten Bootsübungen hatte ich gleich das Pech mir den rechten
Daumen zu quetschen. So verbrachten wir auf der DONAU zwei Monate und als
wir schon eine ziemliche Vorschulung genossen hatten kamen wir auf das
eigentliche Schulschiff S.M.S SCHWARZENBERG. Auf diesem Schiff hatte auch
mein Vater gedient und ich fand später in den alten Matrikeln noch seinen
Namen eingetragen.
Auf S.M.S. SCHWARZENBERG angekommen wurden wir
sogleich in Quartiere eingeteilt und bekamen unsere Schlafstellen und
Esstische. Ich selbst gehörte zu ersten Quartier der Steuerborddivision.
Der erste Jahrgang bestand aus 600 Jungen, aufgeteilt auf 4 Quartiere.
Unser Kommandant war Fregattenkapitän Hinger.
Einige Wochen Später kam
nach Sebenico welche vom Seebezirkskommando Pula de Schiffsjungenschule
Sebenico zugeteilt wurde. Derselbe warf Anker neben S.M.S SCHWARZENBERG
und durch eine Landungsbrücke zugänglich. Und so übersiedelte unter
gleichen Verhältnissen mein Jahrgang auf
und der Zweite blieb allein aus
S.M.S. SCHWARZENBERG.
Im Juli 1912 begann die theoretische Schule
aus S.M.S. SCHWARZENBERG wo wir jeden Tag in unseren Lern.. gehen
mussten. Um 6 Uhr früh mussten wir aufstehen, waschen, frühstücken. Um 8
Uhr begannen die einzelnen Unterrichtsstunden, jede Stunde einen anderen
Gegenstand bis 12 Uhr. Um 10 Uhr Vormittag bekamen wir immer ein Stück
Käse und Brot. Das Essen war sehr gut. Gewöhnlich hatten wir immer vom 1/2
12 bis 12 Uhr freie Übungen. Um 12 Uhr war Mittag und dann hatten wir bis
2 Uhr freie Zeit. Um 2 Uhr alle Mann antreten und wo dann am Exerzierplatz
abmarschiert wurde oder Bootsübung, Ruderübung, Segelübung. 2 mal
wöchentlich hatten wir Schwimmschule. Die erste Zeit bei den
Rettungsübungen hatte ich ziemlich viel Salzwasser getrunken. Um 5 Uhr war
Schluss der Schule wo wir wieder Obst und Brot bekamen. Dann hatten wir
bis zum Abendessen außer der Dienstmannschaft freien Lauf,
baden turnen oder faulenzen. Um 7 Uhr war Nachtmahl und um 8 Uhr alle Mann
antreten zum Schlafen gehen.
Es vergingen drei Monate bis dann endlich
unser sehnlichster Wunsch in Erfüllung ging: die Auslandsreise. S.M.S.
BABENBERG war dazu bestimmt uns auf eine zweijährige Reise mitzunehmen.
Der zweite Jahrgang hatte S.M.S. MONARCH zur Verfügung und der
Vorbereitungsjahrgang - das sind solche welche die Aufnahmeprüfung für den
ersten Jahrgang nicht bestanden hatten - hatten S.M.S. ZENTA. Und so
nahmen wir frohen Herzens eines schönen Tages von Sebenico Abschied wo wir
noch vorher Kohle und Proviant für die ganze Reise einschiffen mussten.
Der Abschied von Sebenico war sehr schön, denn es begleiteten uns auch
einige Hochseetropedobootzerstörer ein Stück in die See hinaus von wo sie
dann nach Pula fuhren.
Wir nahmen zuerst Kurs auf Spalato. Dortselbst
kamen wir Abends um 6 Uhr an wo wir vor dem Hafen Anker warfen. Am Morgen
des nächsten Tages fuhren wir in den Hafen ein wo wir vorher noch einige
Übungen hatten. In Spalato blieben wir 8 Tage. Jeden zweiten Tag hatten
wir Landgang von 5 bis 7 Uhr Abends. wir besuchten auch in geschlossenen
Reihen die berühmten Sehenswürdigkeiten, wie die römischen Gräber.
Von Spalato ging es nach Lissa unserer
Ehrenstadt TEGETTHOFFS. Machten dort mehrere Ausflüge, besuchten den
Heldenfriedhof und legten gleichzeitig einen Kranz für die gefallenen
Helden nieder. In Lissa hatten wir immer stürmisches Wetter und fuhren
auch schon nach 5 Tagen wieder weiter. Um 8 Uhr früh sollten wir auslaufen
und konnten jedoch die Zeit nicht einhalten da vorher ein fürchterlicher
Seegang wodurch uns unsere Anker abrissen. Unter Zurücklassung des einen
Ankers nahmen wir Kurs auf Gravosa. Dortselbst verblieben wir 14 Tage, das
Wetter war herrlich. Wir hatten dort unsere verschiedenen Übungen,
besichtigten die blaue Grotte. |